Die Theatergruppe "bar oder ehda" für geflüchtete und schondagewesene bestand von Juni 2015 bis Mai 2017. Beteiligt waren durchschnittlich 15 Personen mit und ohne Flucht- und Migrationshintergrund im Alter von 16 bis 71 Jahren. Wir trafen uns einmal in der Woche um gemeinsam zu spielen, tanzen, spinnen und haben in den knapp 2 Jahren ganze drei Premieren auf die Bühne gebracht.
Die Idee für Bar oder ehda ist aus einer Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen Ghiath Mitawi, der Theaterwissenschaftlerin Laura Kröner, der Sozialarbeiterin Sevim Akdag und in Kooperation mit interaction Leipzig entstanden, der Gründungsgruppe wir ebenfalls waren. (https://interaction-leipzig.de/)
interaction Leipzig ist Plattform und Aushandlungsort, an dem sich Menschen mit und ohne Flucht- oder Migrationsbiografie, neue und alte Leipziger*innen einbringen, engagieren, interagieren und gemeinsam neue Perspektiven eröffnen können. Bei interaction Leipzig können Menschen jeden Hintergrundes Workshops, Veranstaltungen oder simple Begegnungen initiieren und dafür Interessierte gewinnen.
In einem dieser Workshops kamen wir auf die Idee, über die allgegenwärtige Popkultur eine egalitäre Ausgangssituation zu schaffen - zum Fragen, Erzählen und Urteilen. Der Kontext, die persönliche Konnotation, die bewusste Auseinandersetzung mit dem Phänomen, der Geschichte, der Entstehung des einzelnen Popgegenstandes holt die Bandbreite des menschlichen Daseins auf die Bühne.
Mit dem Projekt wollten wir den damaligen und leider auch noch aktuellen Asyldiskurs in eine andere Richtung lenken: Geflüchtete wurden aus ihrer „Opferrolle“ herausgebracht und wurden darin bestärkt
sich einzubringen sowie ihr Wissen und Können zu teilen.
Wir arbeiten auf Augenhöhe!
Der Inhalt der Aufführungen wird aus Beiträgen der Teilnehmer:innen erarbeitet. Dabei sind alle gefragt, ihre Ideen und Vorstellungen zum Thema Pop und Mainstream einzubringen und weiterzuentwickeln. Das Leitungsteam gibt Impulse und Ansatzpunkte, ordnet schließlich die Beiträge, arbeitet sie konzeptionell auf um einen künstlerischen Ausdruck zu erreichen.
Wir reden über Pop, nicht über Politik!
Häufig ist es bei der künstlerischen Arbeit mit Flüchtlingen der Fall, dass die beteiligten Westler:innen, in den meisten Fällen auch das Leitungsteam, bewusst oder unbewusst in eine postkolonialistische Falle treten, da sie der Geschichte, der Problematik des Flüchtlings gerecht werden wollen. Es wird das Schicksal des vermeintlich Leidenden benutzt, um eine gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu generieren, mit der Folge, dass es solchen Abenden dann meist nicht an Befindlichkeit und Betroffenheit mangelt. Das wollen wir nicht. Wie aber dieser Falle entkommen? Man arbeitet mit anstatt für Geflüchtete und sucht Gemeinsamkeiten. Diese sind am einfachsten im Mainstream, im Pop und der Kunst zu finden.
Auf Grundlage der universellen Begeisterung für Popkultur schaffen wir eine Verbindung zwischen den Fremden. Durch das Gemeinsame kreieren wir eine egalitäre Ausgangssituation - zum Fragen, Erzählen und Urteilen. Der Kontext, die persönliche Konnotation, die bewusste Auseinandersetzung mit Popphänomenen, ihre Geschichte, holt die ganze Bandbreite des menschlichen Daseins aufs Tableau.
Vom vermeintlich oberflächlichen Mainstream öffnen wir eine Tür, ein Carroll’sches Aliceloch zu den „ach so tragischen, tagespolitischen, gesellschaftlich relevanten“ Themen. Ein Trick um der political correctness, dem Besserwissen, der Befindlichkeit und der westlichen Überheblichkeit ein Schnippchen zu schlagen. Aber auch um der Arbeit mit Geflüchteten die scheinbar inhaltliche Schwere zu nehmen.
Kommunikation ist Key!
Aus unseren Erfahrungen hat sich gezeigt, dass es beim Spielen keiner Übersetzung bedarf. Im Entwicklungsprozess der Stücke haben Beiträge in der Muttersprache nicht selten zu Assoziationen geführt, die eine neue inhaltliche Dimension eröffneten. Das Missverständnis und die Lücke werden als produktiv gesehen nicht als Mangel.
Im Rahmen von Bar oder ehda hat Laura Kröner eine Forschungsbericht für die Universität Leipzig, im Bereich Theaterwissenschaften geschrieben.
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